04 Apr Hochintensitätstraining bei Älteren
Neue und innovative Wege in der Sturzprophylaxe
Take-Aways:
- HIT ist eine Methode des Muskeltrainings mit hoher Anstrengungsintensität bei geringem Trainingsvolumen
- Erfordert eine hohe Anstrengungsbereitschaft
- Verbessert Kraftwerte, Körperzusammensetzung und der kardiozirkulatorischen Leistungsfähigkeit
- Geringer Zeitaufwand und extrem niedrige Verletzungsraten
Theoretischer Hintergrund
Ein Hochintensitätstraining (HIT) ist eine Trainingsmethode zum Kraft- und Muskelaufbau und unterscheidet sich somit deutlich zum hochintensiven Intervalltraining (HIIT), welches primär auf eine Verbesserung des Herz-Kreislauf-Systems abzielt.
Ein HIT kennzeichnet sich durch eine hohe Anstrengung und Trainingsintensität (intensity of effort) bei gleichzeitig geringem Trainingsvolumen und -umfang. Die Anspannungszeiten (time under tension) eines Trainingssatzes sind submaximal und dauern zwischen 90 – 120 Sekunden. Es wird nur ein Satz absolviert (ohne mögliche Aufwärmsätze). Um eine kontinuierliche Anspannung zu erreichen wird der Satz betont langsam und technisch vorbildlich ausgeführt (Konzentrik: 1-2s, Exzentrik: 4s, jeweils 1s isometrische Kontraktionen), sodass eine Wiederholung mindestens 7 Sekunden dauert (Gießing, 2022). Die verlängerte Phase der Exzentrik wirkt sich tendenziell positiv auf die Hypertrophie aus (Wilk et al., 2020).
Beim HIT wird i.d.R. nur ein Satz absolviert, dieser allerdings bis zum Wiederholungsmaximum. Die Wiederholungen werden durchgeführt, bis die lokale Muskelerschöpfung erreicht ist, und somit keine weitere vollständige Wiederholung mehr möglich ist (training to failure). Der Fokus liegt auf der Anstrengungsintensität (high intensity of effort).
Warum ist HIT bei Älteren sinnvoll?
Das HIT eignet sich grundsätzlich für fortgeschrittene Trainierende aller Altersstufen (Wilk et al., 2020). Entgegen früheren Meinungen und Befürchtungen werden hohe Anstrengungsintensitäten bei Älteren sehr gut toleriert und sind nicht grundsätzlich kontrainduziert (Talar et al., 2021).
Dem HIT kommt als Methode zur Prävention und Therapie von Sarkopenie (altersassoziierter Verlust an Muskelmasse, -kraft und -leistung) eine besondere Bedeutung zu: Probanden zwischen 60 und 80 Jahren erhalten ihre Muskelsubstanz und bauen sogar noch zusätzlich Muskelmasse auf (Steele et al., 2017). Gießing et al. (2021) führten eine Studie über einen Zeitraum von 6 Monaten über HIT für Patienten mit einem manifesten Diabetes Mellitus Typ 2 (Durchschnittsalter 61,2 Jahre) durch und verglichen die Ergebnisse mit einer Kontrollgruppe. Unter Anleitung eines Sportwissenschaftlers wurde nach dem Aufwärmen jeweils ein Satz bei jeder Übung bis zum Wiederholungsmaximum durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie waren:
- Es kam weder zu Verletzungen noch zu Drop-Outs
- Signifikante Kraftverbesserungen (Kraftsteigerungen von mehr als 300% waren der Regelfall)
- Die Kontrollgruppe verlor durchschnittlich 1200g Muskelmasse, die Interventionsgruppe baute 1500g auf
- Der Körperfettanteil sank um durchschnittlich 0,7% und stieg bei der Kontrollgruppe um 0,7%
- Der Ruhepuls sank um durchschnittlich 9 Schläge (Gießing et al., 2021)
Andere Studien zeigten, bei gleicher Intervention (HIT), zusätzlich Verbesserungen in der kardiozirkulatorischen Leistungsfähigkeit und einen Rückgang der Belastungsherzfrequenz (Steele et al., 2017).
Fazit für die Praxis
Ein HIT ist in für Senioren gut durchführbar und geeignet um Muskelkraft, Muskelquerschnitt und Körperzusammensetzung zu verbessern. Die allgemein bekannten Effekte von Krafttraining im Alter (Minimierung des Sturzrisikos) lassen sich sehr wirksam durch ein HIT erzielen (Granacher et al., 2014). Gut dokumentierte Wirkmechanismen eines HIT sind Kraftsteigerungen, Verbesserungen der Körperzusammensetzung, der körperlichen Leistungsfähigkeit und des allgemeinen Wohlbefindens. Weitere Vorteile sind ein geringer Zeitaufwand und eine extrem niedrige Verletzungsgefahr (selbst bei Älteren mit Komorbiditäten gut umsetzbar).
Die Inhalte dieses Artikels basieren auf der Originalstudie von J. Gießing „HIT im Alterungsprozess“, die 2022 in der Fachzeitschrift „Bewegungstherapie & Gesundheitssport“ veröffentlicht wurde.
Literaturverzeichnis
Gießing, J. (2022). HIT im Alterungsprozess. Bewegungstherapie und Gesundheitssport, 38(4), S. 171-175. doi:10.1055/a-1871-0015
Giessing J, Eichmann B, Kemmler W, Westcott WL, Winett R, Busuttil K, Steele J, Fisher JP. The effects of adding high-intensity of effort resistance training to routine care in persons with type II diabetes: An exploratory randomized parallel-group time-series study. Physiol Behav. 2022 Mar 1;245:113677. doi: 10.1016/j.physbeh.2021.113677
Granacher, U., Mühlbauer, T., Gschwind, Y. J., Pfenninger, B., & Kressig, R. W. (2014). Diagnostik und Training von Kraft und Gleichgewicht zur Sturzprävention im Alter: Empfehlungen eines interdisziplinären Expertengremiums. Zeitschrift für Gerontologie + Geriatrie, 47(6), S. 513-526. doi:10.1007/s00391-013-0509-5
Steele J, Raubold K, Kemmler W, Fisher J, Gentil P, Giessing J. The Effects of 6 Months of Progressive High Effort Resistance Training Methods upon Strength, Body Composition, Function, and Wellbeing of Elderly Adults. Biomed Res Int. 2017;2017:2541090. doi: 10.1155/2017/2541090
Talar K, Hernández-Belmonte A, Vetrovsky T, Steffl M, Kałamacka E, Courel-Ibáñez J. Benefits of Resistance Training in Early and Late Stages of Frailty and Sarcopenia: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Studies. J Clin Med. 2021 Apr 12;10(8):1630. doi: 10.3390/jcm10081630
Wilk M, Zajac A, Tufano JJ. (2020). The Influence of Movement Tempo During Resistance Training on Muscular Strength and Hypertrophy Responses: A Review. Sports medicine; (Auckland, N.Z.) 51: 1629-1650